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Außen hui, innen pfui?

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Datum:
29. Aug. 2024
Von:
Winfried Kissel, Pfr.

Liebe Leserinnen und Leser,

im Sommer 1992 bin ich nach Rom gezogen, um in der Ewigen Stadt mein Studium fortzusetzen. Zu dieser Zeit gab es dort noch ein seltsames Gesetz: da wurde die Steuer nach dem äußeren Aussehen des Wohnhauses bemessen. So waren viele Häuser der Stadt äußerlich heruntergekommen, obwohl ja gerade die Italiener sich gerne modisch und schick kleiden und viel Wert aufs Äußere legen. Man zahlte so aber weniger Steuer. Ging man dann in die Innenhöfe, wandelte sich das Bild. Begrünte Flächen und schmucke Blumen eröffneten den Zugang in ein schönes Inneres, das selber nicht nur sehr wohnlich und gemütlich, sondern oft auch modern und sauber eingerichtet war. Wenig später wurde das Gesetz abgeschafft und viele der Häuser und Palazzi wurden restauriert und aufpoliert, sodass Rom zum Heiligen Jahr 2000 vielerorts glanzvoll herausgeputzt war.

Wir kennen alle das Sprichwort „Außen hui, innen pfui!“ Es drückt aus, dass wir Menschen uns nach außen keine Blöße geben wollen. Vor anderen wollen wir perfekt dastehen und etwas darstellen, auch wenn keiner von uns ohne Fehler und Sünde ist. Am vergangenen Mittwoch sagt Jesus im Matthäusevangelium zu den Schriftgelehrten: „Weh euch, ihr Heuchler! Ihr seid wie Gräber, die außen weiß angestrichen sind und schön aussehen; innen aber seid ihr voll Knochen, Schmutz und Verwesung.“ (Mt 23,27)

Im Markusevangelium führt Jesus an diesem Sonntag ähnliches aus: die Schriftgelehrten und Pharisäer werfen seinen Jüngern vor, dass diese sich vor dem Essen nicht die Hände waschen. Und dabei ging es den religiösen Führern weniger um hygienische Vorschriften, wie wir sie auch praktizieren, sondern um kultische Reinheit im Gottesdienst und vor Gott. Jesus erwidert ihnen die uns bekannten Worte: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken“, Worte und Taten (vgl. Mk 7,15ff).

Jesus will mit all seiner Kritik nicht die Gebote und das jüdische Gesetz aufheben. Ihm geht es um den inneren und tiefen Sinn der Vorschriften und Gebote. Für ihn ist das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe die Erfüllung aller Gesetze und Gebote. Den Schriftgelehrten und Pharisäern warf er eine Pervertierung der Glaubenspraxis vor, da in ihr Zuwendung, Sehnsucht, Liebe und Barm-herzigkeit keinen Platz mehr hatte, sondern es nur noch um die buchstabengetreue äußere Einhaltung einer Vorschrift ging.

Bitten wir Gott, dass er uns Christen bei allen Traditionen und Vorschriften in unserem Kirchenrecht den Blick unseres Herzens darauf wachhält, worauf es im Leben und Glauben wirklich ankommt.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und uns allen den Beistand des Heiligen Geistes, der uns auf unseren Wegen führen möge.

 Ihr

Winfried Kissel, Pfr.